Als 69er Jahrgang gehöre ich der Generation an, deren Frühling auch mitten im Winter, morgens schon in der Küche über der Spüle begann, wo bunte Prilblumen den Alltag zierten.
Der seriöse Herr, der unter dem gleichen Firmnamen regelmäßig einen „Guten Abend“ wünschte, war bei mir hoch angesehen, denn schließlich wusste ich, dass er Recht hatte. Sehr lange war ich der Überzeugung, dass mein Vater sich allmorgendlich aufmachte, genau diesem Herrn aus der Werbung einen „Guten Morgen“ zu wünschen, denn, so viel wusste ich, der Arbeitgeber meines Vaters trug denselben Namen, wie den, der im Zusammenhang mit den Prilblumen und dem Waschmittel, von dem man weiß was man hat auftauchte.
Ich erinnere mich gerne daran, wie ich mit meiner Mutter zwischen den endlosen Fabrikgebäuden umherfuhr, um duftende Wäsche abzuholen, die eigens für uns in der Testwäscherei gewaschen und gebügelt worden war. Hinterher gab’s oft ein Eis und wenn damit mal gekleckert wurde, war das auch nicht schlimm, denn dann bedeutete das höchstens, dass wir bald wieder in die Testwäscherei fahren würden, um Eis zu essen sozusagen.
Eines hatte ich vielen Altersgenossen voraus: Ich konnte mir denken, weshalb „Konrad’s Spezialkleber“ nicht „Horst’s Spezialkleber“ hieß, denn der Arbeitgeber meines Vaters hieß mit Vornamen nicht Horst sondern Konrad und er kannte sich mit Kleber bestens aus, das wusste ich aus eigener Erfahrung. So hatte ich in den Jahren, in denen die Mainzelmännchen noch zum Höhepunkt des Kinderfernsehens gehörten ein ausgesprochen positives Verhältnis zum Werbefernsehen. Dieses änderte sich, als der seriöse Herr langsam an Einfluss verlor und anstatt dessen junge Damen selbstzufrieden mit ihrer Aussage beeindruckten:
„Ich will so bleiben wie ich bin!“
Ich will so bleiben wie ich bin – schön und gut, aber wie bin ich denn überhaupt?
Diese Frage kann einen förmlich auffressen. Kein Eis mehr, das nach Waschmittel riecht und trotzdem himmlisch schmeckt. Hunger ja, ein Hunger bei dem man sich selbst verzehrt. Und auch wenn kaum noch etwas übrig ist, so nagt immer noch die Frage „Wie bin ich?“ Und je mehr andere sagen wie ich bin, umso weniger bleibt von mir übrig.
Ich will so bleiben wie ich bin – klingt gut, klingt selbstbewusst, aber hat es nicht auch etwas entsetzlich Langweiliges, klingt es nicht auch irgendwie nach Gefangenschaft? Ich liebe die Herausforderung, die ein süßer, fetter Schokoriegel mit sich bringt. Werde ich auch nach dem Verzehr noch liebenswert sein? Werde ich danach jemals wieder in meine Hose passen?
Ich habe eine Entscheidung getroffen:
Ich will nicht so bleiben, ich will so werden wie „Ich Bin“!